- Kirsten Zirkel
- Veröffentlich am:
- Kategorie: Ladeinfrastruktur
- 5 min.
DC-Laden im DC-Netz: Ergibt Sinn, oder?
Schnellladesäulen und ihre Vorteile in gewerblichen Gleichstromnetzen. Gleichstrom statt Wechselstrom: Vorteile für die Industrie.
Üblicherweise werden Gebäude und Fabriken mit Wechselstromnetzen aufgebaut. Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten gewinnen jedoch Gleichstromnetze in gewerblich genutzten Gebäuden als nachhaltige und effiziente Alternative zunehmend an Bedeutung. Doch was genau sind die Vorteile?
Ein wesentlicher Vorteil liegt in der Energieeffizienz. Viele Verbraucher in der Produktion benötigen für ihren Betrieb Gleichspannung. Um diese aus einem AC-Netz zur Verfügung zu stellen, werden Gleichrichter eingesetzt, die aus der Wechsel- eine Gleichspannung erzeugen. Mit dem Aufbau eines übergeordneten Gleichspannungsnetzes entfällt die Ausstattung jedes einzelnen Verbrauchers mit einem individuellen Gleichrichter. Das spart Kosten und vor allem Energie, denn die Verlustleistung, die beim Wandeln von AC- in DC-Spannung entsteht, entfällt zum Großteil.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist ein geringerer Ressourcenbedarf, da für den Aufbau eines DC-Netzes weniger Kupferleitungen benötigt werden. Hier sind für den Aufbau des Netzes statt fünf nur drei Leiter notwendig. Darüber hinaus kommen diese meist mit geringeren Querschnitten aus, da ein DC-Netz üblicherweise mit 650 Volt aufgebaut wird. Damit können geringere Ströme fließen als bei einem 400-Volt-AC-Netz, bei dem die Leitung aufgrund höherer Ströme bei gleichem Leiterquerschnitt zu viel Wärme erzeugen würde.

Zudem ist die Einspeisung erneuerbarer Energien in ein DC-Netz einfacher und effizienter, was die Sektorenkopplung und damit die Verwirklichung einer All Electric Society fördert: Der Gleichstrom, der von der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Industriegebäudes oder aus Windkraft erzeugt wird, kann direkt oder lediglich mit Wandlung des Spannungsniveaus in das DC-Netz eingespeist und so die CO2-Bilanz des Betriebs verbessert werden.
Weiter gesteigert wird die Gesamteffizienz durch Energierückgewinnung. Bei der sogenannten Rekuperation kann zum Beispiel beim Abbremsen von Motoren die mechanische Energie in elektrische Energie zurückgewandelt und in das DC-Netz zurückgespeist werden. Im Vergleich: Bei AC-Netzen wird diese Energie meist in Wärme umgesetzt und kann dadurch nicht mehr für andere Verbraucher genutzt werden.

Integration von Schnellladesäulen: folgerichtig und zukunftsgerichtet
DC-Schnellladesäulen in ein vorhandenes DC-Netz einbinden – das ergibt auf den ersten Blick absolut Sinn. Durch eine direkte Versorgung der Gleichstromladesäulen aus dem Gleichstromnetz des Industriegebäudes lassen sich die beschriebenen Vorteile auf die Ladestationen übertragen: Reduzierung von Wandlungsverlusten, Erhöhung der Energieeffizienz und Einsparung von Ressourcen bei der Verkabelung.
Richtig interessant wird es aber bei einem weiteren Thema: dem bidirektionalen Laden. Der Strom fließt hier nicht nur von der Ladestation in das E-Fahrzeug, sondern auch aus der Fahrzeugbatterie zurück in den jeweiligen Haushalt, ins Versorgungsnetz oder – wie in dieser Anwendung – zurück in das DC-Netz des Industriegebäudes. Die Batterie des E-Fahrzeugs kann als Speicher genutzt werden und bei Bedarf bei der Versorgung des Gebäudes unterstützen. Durch die direkte Integration der Ladestation in das DC-Netz entfällt eine zweimalige Umwandlung des Wechselstroms in Gleichstrom und zurück. Außerdem kann die Fahrzeugbatterie als zusätzlicher Energiespeicher für die Versorgung des Produktionsgebäudes genutzt werden und beispielsweise Verbrauchsspitzen abpuffern. Bei einem geringen Energiebedarf des Gebäudes lädt die Batterie wieder auf. Gesteuert wird diese durch intelligente Energiemanagementsysteme, die bedarfsgerecht die E-Fahrzeuge zu- oder abschalten können.
Loading meets charing: Die Gelegenheit ist günstig
Die Einbindung von Schnellladesäulen ergibt auch auf den zweiten Blick Sinn: Mobilität wandelt sich. Im vergangenen Jahr sahen wir vor allem im Verkehrsbereich – und hier insbesondere im Gütertransport auf der Straße – einen Wandel. Immer mehr Nutzfahrzeuge werden elektrifiziert. Getrieben von klimapolitischen Vorgaben, aber auch aus Kostengesichtspunkten forciert die Branche den Umstieg auf batterieelektrische Antriebe. Aufgrund der großen Batteriepacks werden Elektro-Lkw üblicherweise mit DC geladen. Es liegt nahe, Lademöglichkeiten für den eigenen Fuhrpark, aber auch für den eigenen Warentransport beim Aufbau eines gewerblichen DC-Netzes gleich mit einzuplanen. Denn aufgeladen werden diese E-Fahrzeuge auf dem eigenen Betriebsgelände. Wenn die Reichweite des E-Lkws geringer ist als die täglich zurückzulegende Strecke, werden weitere Lademöglichkeiten benötigt. Durch eng getaktete Lieferketten findet das so genannte Opportunity Charging – das Gelegenheitsladen während kurzer Stopps – auch hier einen Anknüpfpunkt. Während der Be- und Entladung von Produktionsmitteln oder Fertigprodukten können die Elektro-Lkws an der Rampe geladen werden. Mit entsprechender Ladeleistung der installierten Schnelllader kann der E-Lkw seine Weiterfahrt ohne zusätzlichen Ladestopp weiterführen. So wird die Standzeit nebenbei zur effektiv genutzten Ladezeit.

So kann es funktionieren: Das Gebäude 60 in Blomberg
Wie die Zukunft der Energieversorgung aussehen kann, zeigt das Gebäude 60 auf dem Betriebsgelände von Phoenix Contact in Blomberg. Als Hersteller von Komponenten und Lösungen zur Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung war es naheliegend, ein Produktionsgebäude mit einem DC-Netz aufzubauen. Gespeist wird dieses durch das öffentliche AC-Netz, das in einer Zentraleinheit – aufgebaut mit der Leistungselektronik CHARX power von Phoenix Contact – in ein 650-V-DC-Netz gleichgerichtet wird.
Dazu kommt selbsterzeugte Energie durch eine PV-Aufdachanlage mit 110 kW Peak-Leistung sowie ein Batteriespeicher mit 240 kWh Kapazität. Die bidirektional angebundenen Elektrofahrzeuge sind hier gleichzeitig Energieverbraucher und -erzeuger. Mit der übergeordneten Steuerung PLCnext control in Verbindung mit dem Energiemanagementsystem werden Lastspitzen durch Einbindung der Fahrzeugbatterien abgepuffert. Ein gelungenes Beispiel für die Integration von Schnellladesäulen in gewerblichen Gebäuden – ergibt Sinn, oder?

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